Tabus an der Grundstücks­grenze: Dämmung

Ist die Überschreitung der Grundstücksgrenze bei nachträglicher Dämmung mit dem Grundgesetz vereinbar?

Das bauliche Überschreiten der Grundstücksgrenze führt oft zu Auseinandersetzung.

Gerade bei Grenzbebauung kann die (nachträglich) angebrachte Dämmung in das Nachbargrundstück ragen.

Bei Neubauten ist dies grundsätzlich nicht zulässig.

Beim nachträglichen Dämmen von Bestandsimmobilien hat der Bundesgerichtshof (BGH) jedoch kein Problem mit einer Grenzüberschreitung.

Im Verfahren (V ZR 23/21 vom und Ureil vom Urteil vom 23.6.2022 ) hat der BGH die Frage geklärt, ob das Überbauen des Nachbargrundstückes in Folge der Anbringung einer Wärmedämmung mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Das letztinstanzliche Urteil verurteilte den Kläger, die Überbauung zu dulden.

Entsprechende gesetzliche Regelungen wurde von verschiedenen Bundesländern bereits einige Jahre vorher bei Novellierungen des jeweiligen Landesbaurechts verankert. In Baden-Württemberg zum Beispiel am 12. Februar 2014. (Siehe auch Beitrag der Architektenkammer Baden-Württemberg)

Allerdings darf die nachträglich angebrachte Dämmung die Nutzung des Nachbargrundstückes nur geringfügig beeinträchtigen und muß den baulichen Vorgaben des jeweiligen Bundeslandes entsprechen.
Den Geschädigten bzw. Nachbarn steht im Gegenzug eine sogenannte Überbaurente zu - diese ist allerdings in aller Regel minimal.

Keine Duldung bei erforderlichen baulichen Veränderungen

In einem anderen Streitfall hatte der BGH darüber zu urteilen, ob der Nachbar eine bauliche Veränderung an seinem Haus dulden muss, die aufgrund der Hausdämmung erforderlich wäre.

Dies hat der BGH im vorliegenden Streitfall verneint (Urteil vom 14.06.2019, Az.: V ZR 144/18).

Allerdings hat das Urteil nur direkte Auswirkung auf das Land Hessen, da im vorliegenden Streitfall das Bau- und Nachbarschaftsrecht des Landes Hessen maßgeblich war.
Wie sich dies in anderen Bundesländern verhält, hängt somit auch erheblich vom jeweiligen Landesbaurecht, bzw. Nachbarschaftsrecht ab.
In jedem Fall sollten Bauherren*Innen, die eine nachträgliche Dämmung, welche ihre Grundstücksgrenze überschreitet, vor der gewünschten Maßnahme entsprechende fachliche Beratung einholen.

Im konkreten Fall ging es darum, dass die gewünschte Dämmung an dem Reihenhaus die Grundstücksgrenze ca. 11cm überschritten hätte. Um diese anbringen zu können, hätte der Nachbar neben der Verlegung der Entlüftungsleitung seines Öltanks auch das Verlegen einer Stromleitung und der Küchenentlüftung vornehmen müssen. Außerdem wären Arbeiten am Dach des Nachbarn erforderlich geworden. Obwohl der dämmwillige Bauherr die dafür anfallenden Kosten übernommen hätte, war der Nachbar nicht gewillt, diese Arbeiten vornehmen zu lassen.

 

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Wilfried Wacker
Autor:
Wilfried Wacker

Wilfried Wacker ist Experte für Neu bauen, Sanieren, nachhaltige Energiekonzepte.

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